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Renn / Schoch: Die neue Grundsicherung

Die neue Grundsicherung. Die bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Von Heribert Renn und Dietrich Schoch, Baden-Baden, 2002: Nomos-Verlagsgesellschaft, 144 Seiten


Einführung in die Themenstellung

Die neue Grundsicherung nach dem "Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung" (GSiG), das zum 1.1.2003 in Kraft getreten ist, stellt eine Weiterentwicklung und Modifizierung der bisherigen Sozialhilfe dar. Die über 65-Jährigen und die dauerhaft Erwerbsgeminderten (entspricht in etwa der bisherigen Gruppe der Erwerbs- und Berufsunfähigen) erhalten eine Grundsicherung anstelle von Sozialhilfe. Auf unterhaltspflichtige Familienangehörige wird nur zurückgegriffen, wenn deren Jahreseinkommen mehr als 100.000 EUR beträgt.

Das Buch "Die neue Grundsicherung" von Heribert Renn, Leiter einer Rechtsstelle der Caritas, und von Dietrich Schoch, Regierungsdirektor und Mitglied des Arbeitsausschusses Grundsicherung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, stellt einen ausführlichen Leitfaden zu diesem neuen Thema dar, der für Theorie und Praxis gleichermaßen geeignet ist.


Aufbau und Inhalt

Der Aufbau des Buches folgt - nach einem kurzen Überblick und einer Einführung in die Thematik - der Logik des neuen Gesetzes: Anspruchsvoraussetzungen, Leistungen nach dem Gesetz, der Einsatz von Einkommen und Vermögen, die Inanspruchnahme unterhaltspflichtiger Personen, der Träger der Grundsicherung, Zuständigkeit, Informationspflicht der Behörden sowie Verfahren und Rechtsschutz werden nacheinander abgehandelt.

Die Erklärungen zu den Regelungen werden ergänzt durch Einblicke in die Entstehungsgeschichte des Gesetzes; die Parallelen zum BSHG und die Verknüpfung mit dem SGB werden verdeutlicht; komplizierte Regelungen werden mit Hilfe von Beispielen veranschaulicht. Verbesserungsmöglichkeiten von unklaren und unsinnigen Bestimmungen werden detailliert und kritisch diskutiert und der richtige Umgang in der Praxis dargelegt.
Nützliche Querverweise erleichtern das schnelle Nachschlagen.

Abgerundet wird der Inhalt des Buches durch ein sechsseitiges Kapitel über Grund- und Existenzsicherung, das zuerst das Problem Armut anhand der aktuellen Forschungsergebnisse darstellt und sie dann in den Zusammenhang des neuen Gesetzes stellt. Eine Grundsicherung für junge Menschen und eine "bedarfsgerechte" anstelle einer bedarfsorientierten Grundsicherung werden gefordert. Es wird aber nicht deutlich genug die Gefahr benannt, dass die neue Grundsicherung ein erster Schnitt sein könnte, hin zu einer Differenzierung zwischen "nicht verschuldeter" Grundsicherungs-Bedürftigkeit und "selbstverschuldetem" Sozialhilfebezug, bei dem immer ein Grund für Kürzung zur Verfügung steht. Die neue Grundsicherung könnte auch Baustein eines zukünftigen minimalistischen Sozialstaats sein, der immer mehr Bürger nur mehr vor der allergrößten Armut schützt, weil Berufsunfähigkeits-, Erwerbsunfähigkeits-, Altersrente und Rehabilitation nicht mehr finanzierbar erscheinen.

Ein ausführlicher Anhang umfasst viele Musterfälle, den gesamten Gesetzestext des GSiG, relevante Teile anderer Gesetze sowie Muster eines Antragsformulars und eines Infoblattes.


Zielgruppe

"Die leicht verständliche Darstellung soll es betroffenen sowie in der Sozialberatung tätigen Personen aber auch Beschäftigten von kommunalen Grundsicherungsämtern ... ermöglichen, sich in diesem neuen Sozialleistungsrechtsbereich besser zurecht zu finden" (Verlagsinformation). Allerdings orientiert sich die Sprache ganz an den juristischen Begriffen und könnte so Ungeübte überfordern.


Fazit

Das sehr brauchbare und übersichtliche Buch gibt eine gute Einführung in das neue Rechtsgebiet der Grundsicherung. Auf einigen Seiten wird auch auf die sozialpolitische Dimension eingegangen, wobei allerdings nicht auf weiterführende Grundsicherungs-Konzepte (Sockelung verschiedenster Sozialleistungen, Bürgerarbeit nach U. Beck, bedingungsloses Grundeinkommen) eingegangen wird.


Die Rezension ist zuerst erschienen unter: www.socialnet.de/rezensionen/574.php


Alban Knecht
Im Oktober 2003





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