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Kommentar zur Charta der Grundrechte der Europäischen Union

Herausgegeben von Jürgen Meyer, Baden-Baden, 2003: Nomos Verlagsgesellschaft, 634 Seiten


Einführung in die Themenstellung

Die beim Europäischen Rat in Nizza am 7. Dezember 2000 verkündete Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die aus dem Herzog-Konvent hervorgegangen ist, hatte anfänglich eine unklare Zukunft. Nun ist sie als Teil II in den Entwurf der Europäischen Verfassung eingegangen, der 2003 aus dem von Giscard d' Estaing geführten Verfassungskonvents hervorgegangen ist, und jetzt auf dem besten Wege ist geltendes Recht zu werden.
In der Charta sind zum ersten Mal in der Geschichte der Europäischen Union in einem einzigen Text die Gesamtheit der bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rechte der europäischen Bürgerinnen und Bürger zusammengefasst und einheitlich geregelt. Daher erklärt sich die - den Menschenrechten ähnliche - Bedeutung der Europäischen Grundrechtscharta für die Sozialpolitik.

Aufbau und Inhalt

Gesetzestext und Buch sind in die Kapitel "Präambel" "Würde des Menschen", "Freiheiten", "Gleichheit", "Solidarität", "Bürgerrechte", "Justizielle Rechte" und "Allgemeine Bestimmungen" unterteilt. Die Präambel wurde vom Herausgeber MdB Prof. Dr. Jürgen Meyer, der selbst Delegierter des Deutschen Bundestages im Verfassungskonvent der Europäischen Union war, bearbeitet. Die Kapitel "Würde des Menschen" und "Freiheiten" haben Dr. Martin Borowsky und Dr. Norbert Bernsdorff bearbeitet, die auch den Protokollband der Grundrechtcharta (Bernsdorff / Borowsky: Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Handreichungen und Sitzungsprotokolle, Nomos Verlagsgesellschaft (Baden-Baden) 2002. 413 Seiten. ISBN 3-7890-8177-9) herausgegeben haben.

Zu jedem Kapitel und zu jedem Artikel werden in den "Vorgaben" die Bezüge zu ähnlichen bestehenden, vor allem den verschiedenen nationalen Vereinbarungen dargestellt. Unter "Verhandlungen" werden jeweils die Wege zu den Textfassungen nachgezeichnet. Erst im Anschluss daran erfolgt die eigentliche Kommentierung. Nötig sind diese genauen Kenntnisse für alle jene, der aus den Formulierungen konkrete Schlüsse ziehen und die zukünftigen Wirkungen auf die nationalen Gesetzgebungen abschätzen wollen: Was bedeutet das Recht auf Bildung? (Artikel 14 (1): "Jeder hat das Recht auf Bildung sowie den Zugang zur beruflichen Ausbildung und Weiterbildung.") Wie ist das Recht auf Arbeit auszulegen (Artikel 15 (1): "Jede Person hat das Recht, zu arbeiten und einen frei gewählten oder angenommenen Beruf auszuüben."), und wie weit geht das Recht auf Soziale Sicherheit und Unterstützung nach Artikel 34 (3)? ("Um die soziale Ausgrenzung und die Armut zu bekämpfen, anerkennt und achtet die Union das Recht auf eine soziale Unterstützung und eine Unterstützung für die Wohnung, die allen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, ein menschenwürdiges Dasein sicherstellen sollen...")

Zielgruppe

Dieses sehr genau gearbeitete Buch gibt detaillierte Informationen über das neue Rechtsgebiet der Europäischen Grundrechte. Allerdings enthalten sich die Bearbeiter jeder Fundamentalkritik, wie sie beispielsweise K. A. Schachtschneider vorbringt: Kann es neben dem Grundgesetz überhaupt ein relativierendes Europäisches Grundrecht geben? Welche Legitimation als Verfassung können diese Rechte haben, wenn es nicht in allen Ländern Verfassungsreferenden gibt (auch in Deutschland wird es wohl keines geben)? Und wieso werden diese Grundrechte nicht so gestaltet, dass sie von jeder EU-Bürgerin und jedem EU-Bürger einklagbar sind?

Fazit

Der Text liefert sehr detaillierte Informationen auf hohem Niveau und verlangt daher einige Übung in juristischem Denken. Er ist als durchzulesendes Buch gleichermaßen geeignet wie als Nachschlagewerk. Mit Hilfe dieses Kommentars kann die Tragweite der Europäischen Grundrechtcharta für die Sozialpolitik und die Soziale Arbeit abgeschätzt werden.


Die Rezension ist zuerst erschienen unter: www.socialnet.de/rezensionen/889.php


Alban Knecht
Im Oktober 2003




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